Merlin und die Prophezeiung der sich bekämpfenden Drachen (gallica.bnf.fr)
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In meinem Vortrag gehe ich von den drei Erzählungen von Robert de Boron aus, der im 12. oder Anfang 13. Jahrhundert gelebt hat. In seiner ersten Erzählung, dem Roman de l’estoire dou Graal ist nicht der Held – wie bei Chrétien de Troyes oder bei Wolfram von Eschenbach – im Vordergrund, sondern der Gral selbst. Der Erzähler stellt dabei einen Zusammenhang her zwischen dem Wirken der Trinität und den drei Gralshütern (Joseph von Arimathia, Brons, Perceval). C.G. Jung deutet die Trinität u.a. als einen säkularen Bewusstwerdungsprozess, wobei die Kräfte dieses Prozesses unpersönlichen kollektiven seelischen Zuständen entstammen. C.G. Jung schreibt: «Von jeher hat der Mensch die Äusserung einer von ihm nicht gewollten und veranlassten Seelentätigkeit als dämonisch, göttlich oder als «heilig», heilend und ganzmachend empfunden.»
Im zweiten Roman, in dem Robert de Boron das Leben und Wirken Merlins beschreibt, ist die Geburt Merlins vom Teufel initiiert, wobei sich die Teufelskraft im Nachhinein als eine Kraft herausstellt, die etwas Böses bezweckt, die sich jedoch zum Guten wendet, weil es – so der Dichter – eben doch Gottes Wille war, dass der Mensch einen Teil der dämonischen Kräfte besitze: Im Roman ist es die Macht «zu wissen alles Vergangene, alle Dinge, die geschehen sind, die gesagt und getan wurden». Da Merlin von einer Jungfrau geboren wird, erhält er von ihr zudem die Fähigkeit, die Dinge der Zukunft zu wissen. Merlin wird Ratgeber von Uter und Pendragon, Söhne eines Königs, die als Kinder unrechtmässig aus ihrem Land vertrieben worden sind. Sie lernen Merlin auch als mehrgesichtiges und Schabernack treibendes Wesen kennen, das seine eigenen Gesetze hat, die es zu respektieren gilt. Durch Merlin wird ausserdem die geheimnisvolle Zeugung von König Artus bewirkt.
In Robert de Borons drittem Roman Perceval, der in vielen Teilen mit demjenigen von Chrétien de Troyes übereinstimmt, ihm aber nicht mit Sicherheit zugeordnet werden kann, geht es um Ansätze der Integration des Schattens und um Individuation. Perceval wird Gralshüter, aber die Tafelrunde löst sich am Schluss auf, weil – wie wir heute sagen würden – die Gegensätze nicht als innerseelisch erkannt worden sind. Artus selber spielt zusammen mit seiner Frau Guinevere eigentlich eine gemeinschaftsbildende Rolle, denn an ihrem Hof werden siegreiche und besiegte Ritter mit den Damen und Jungfrauen aufgenommen.
Im Vortrag hoffe ich, Ihnen den Geist dieser Geschichten nahe zu bringen, die auf einfache, fast naive Art erzählt werden und gleichzeitig eine Tiefe besitzen und unkonventionelle Ideen enthalten, welche nicht zuletzt die Gegensatzproblematik und die Bedeutung des Grals betreffen.
Datum: Samstag, 23. November 2024
Beginn: 17.30 Uhr
Eintritt: Fr. 30; Studenten Fr. 20;
für Mitglieder und stat. Gäste frei
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